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Um die Komplexität der narzisstischen Persönlichkeitsstörung besser zu verstehen, werden in der psychologischen Forschung verschiedene Modelle herangezogen. Dabei unterscheiden die Theorien mehrere Subtypen, die das Phänomen Narzissmus in seinen unterschiedlichen Facetten abbilden. Je nach Modell wird dabei zwischen zwei oder drei Subtypen von Narzissmus differenziert.

Positiver und negativer Narzissmus nach Erich Fromm

Erich Fromm unterscheidet in zwei Subtypen des Narzissmus:

  • Positiver Narzissmus ist durch eine überhöhte Selbstwahrnehmung geprägt. Menschen dieses Typs sehen sich als grandios, mächtig und überlegen, oft verbunden mit einer charismatischen Ausstrahlung.
  • Der negative Narzissmus ist gekennzeichnet durch Selbstabwertung. Diese Personen sehen sich als unfähig, vom Pech verfolgt und leben in Schüchternheit und Selbstmitleid. Sie empfinden sich als Opfer und leiden unter einem brüchigen Selbstwertgefühl. Leidet häufig an Depressionen und Angststörungen.

Während der positive Narzisst durch Selbstüberhöhung glänzt, zieht sich der negative Narzisst in die Abwertung seiner selbst zurück – beide Formen spiegeln jedoch eine tiefe innere Störung im Verhältnis zum eigenen Selbst wider.

Drei Narzissmus-Subtypen nach Russ und Kollegen

Russ und Kollegen (2008) unterscheidet in ihrer Forschung drei Subtypen des Narzissmus, die sich in ihrem Auftreten und Verhalten deutlich voneinander abgrenzen: den exhibitionistischen, den grandios-malignen und den vulnerabel-fragilen Narzissmus.

  • Exhibitionistischer Narzissmus: Diese Personen stellen ihre Großartigkeit demonstrativ zur Schau und suchen ständig Bewunderung. Ihr Selbstwert hängt stark von äußerer Bestätigung ab, während Kritik als Angriff empfunden wird.
  • Grandios-maligner Narzissmus: Eine gefährliche Mischung aus Narzissmus, Aggression, Paranoia und antisozialem Verhalten. Diese Menschen manipulieren und agieren feindselig, ohne Reue, und sind oft rachsüchtig und kontrollierend.
  • Vulnerabel-fragiler Narzissmus: Diese Personen sind selbstbezogen, empfindlich gegenüber Kritik und unfähig, echte Empathie zu empfinden. Kritik oder Zurückweisung können schwere emotionale Krisen auslösen.

Diese drei Subtypen verdeutlichen, dass Narzissmus sehr unterschiedliche Formen annehmen kann, von extrovertierter Selbstdarstellung bis hin zu tiefer Verwundbarkeit und aggressivem Verhalten.

Erfolgreicher, gescheiterter und erfolglose Narzissten nach Rainer Sachse

  • Erfolgreiche Narzissten (NAR): Versucht durch Leistung seine Selbstzweifel kompensieren und faktisch erfolgreich
  • Gescheiterte Narzissten (GENAR): ähnlich wie erfolgreicher Narzissten, jedoch hohe Erwartungsorientierung und studientechnisch oder beruflich „festsitzen“
  • Erfolglose Narzissten (ELNAR): kompensiert nicht und hat stark illusionäre Selbstschemata (z.B. Tagträume) – geht mit Depressionen einher

Erfolgreiche Narzissten haben trotz ihrer Leistungen und Erfolge immer das Gefühl, dass ihnen etwas fehlt und sie unzufrieden sind. Sie verstehen nicht, weshalb und dass ihr Verhalten einen hohen Preis hat (gesundheitlich). Daher ist Alkohol oft ein beliebtes Bewältigungswerkzeug. Herz-Kreislauf-Probleme, Beziehungsprobleme und ständige Sorge um die Karriere tun ihr übriges. Diese Probleme können unter Umständen dazu führen, dass Narzissten Hilfe aufsuchen.

Gescheiterte Narzissten waren häufig in der Schule erfolgreich. Die Eltern (meist Vater) erzeugen eine hohe Erwartungsorientierung. Im Studium steigen die Anforderungen. Der Klient ist aber nur extrinsisch motiviert, also um dem Vater oder anderen etwas zu beweisen. Damit reicht die innere Motivation irgendwann nicht aus und die Leistung sinkt. Versagensangst macht sich breit und diese Personen fangen an zu vermeiden (Prüfungen). (z.B.: Giorgos)

Erfolglose Narzissten zeigen keine Kompensationsbemühungen wie die erfolgreichen Narzisst. Entweder vermeiden Sie generell die damit verbundenen Anstrengungen oder glauben nicht an ihre Fähigkeiten. Geben sie auf, bevor sie anfangen. Sie kompensieren vor allem über illusionäre positive Selbstschemata („ich werde verkannt“ „Eines Tages werde ich entdeckt“ „Eigentlich bin ich hochintelligent“).

Meist männlich, 25-40 Jahre alt, Schule oder Lehre abgebrochen und bei Mutter lebt und wenige Freunde und keine Freundin hat. Verbringt viel Zeit mit Spielen (hier ist er ein Held), illusionäre Zukunftsideen (Politiker, Star, Superheld).

Erfolglose Narzissten im Detail

Gerade der erfolglose / vulnerable Narzisst sind häufig Kinder von erfolgreichen Narzissten, da hier die Erwartungsorientierung besonders hoch sein kann. Gerade narzisstische Väter sehen ihre Söhne und Töchter als verlängerten Teil ihrer selbst und müssen daher auch erfolgreich sein, da man sich sonst für sein Kind schämen muss. Zudem schmücken sich narzisstische Elternteile gerne mit den Leistungen ihrer Kinder. Hier gibt es noch eine Form des weiblichen Narzissmus.

Selbstschema der narzisstischen Persönlichkeitsstörung

Alle Personen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung weisen ein geteiltes Selbstschema auf: Sie zeigen ein negatives Schema und ein – davon abgekoppeltes – positives Schema. Dies ist ein zentrales Kennzeichen der narzisstischer Persönlichkeitsstörung.

(Selbst-Schemata ist die Annahmen der Person über sich selbst und enthaltet innere Schema wie „ich bin ein Versager“, „ich bin nicht wichtig“ u.a. sowie Kontingenzannahmen und Bewertungen dazu)

Negatives Selbstschema

  • „Ich bin nicht gut genug“
  • „Ich scheitere immer wieder“
  • „Mich liebt sowieso keiner“

Positives Selbstschema – KOMPENSATORISCHE Schema

  • „Ich bin besser als die meisten anderen“
  • „Was ich anpacke, klappt auch“
  • „Ich kann noch mehr schaffen“

Menschen mit narzisstischer Persönlichkeittstörung weisen immer zwei Selbstschemata auf, aber immer nur eines ist aktiviert. Ist das positive aktiv, ist die Person motiviert, zu leisten und getrieben sich zu beweisen. Alle negativen Aspekte werden ausgeblendet und verdrängt.

Ist das negative Selbstschema aktiv, sind diese Menschen leicht zu kränken, vermeiden oder verweigern Leistung, und es besteht Angst entlarvt zu werden. Hier besteht das Gefühl ein völliger Versager zu sein. Schon leichte Kritik kann den Zustand ins Negative Schema kippen.

Menschen mit narzisstischer Persönlichkeittstörung halten sich daher nicht durchwegs für toll. Ausgehend vom negativen Selbstschema nagen existenzielle Zweifel an ihnen. Daher versuchen sie andere davon zu überzeugen, wie toll sie sind, weil sie nicht das Gefühl kennen, einfach okay zu sein.

Daher ist kein Narzisst so stark von sich selbst überzeugt, wie sie oft tun.

 

Quellen:

Russ, E., Shedler, J., Bradley, R., & Westen, D. (2008). Refining the Construct of Narcissistic Personality Disorder: Diagnostic Criteria and Subtypes. American Journal of Psychiatry, 165(11), 1473–1481.

Sachse, Reiner (2020). Persönlichkeitsstörungen verstehen. Psychiatrie-Verlag

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